Was für ein Land ist die gegenwärtige Ukraine?
Wenn die Frage „Was für ein Land ist die gegenwärtige Ukraine?“ gestellt wird,
antworten Menschen im Westen gewöhnlich, es sei für sie egal, was für ein Land
die gegenwärtige Ukraine ist.
Jedoch
war es für die Menschen im Westen in der Vergangenheit gar nicht egal, was für
ein Land Jugoslawien im Jahr 1999 war, als westliche Mächte es
bombardierten; oder es war für die Menschen im Westen gar nicht egal, was für
ein Land Afghanistan im Jahr 2001 war, als westliche Mächte dorthin
einmarschierten, usw.
Die
zweite Antwort der Menschen im Westen auf die Frage „Was für ein Land ist die gegenwärtige Ukraine?“ lautet so „Die gegenwärtige Ukraine mag derzeit ein nicht
besonders gutes Land sein, aber sie verändert sich zum Besseren.“
In
diesem Artikel analysiere ich beide oben genannten Thesen.
Rechte nationaler Minderheiten in der Ukraine nach dem Euromaidan
Vor der sogenannten Ukrainischen Revolution, auch Euromaidan genannt, d.h. vor Februar 2014, hatten nationale Minderheiten in der Ukraine viel mehr Rechte als heute. Beispielsweise gab es damals in der Ukraine staatlich finanzierte ungarische, rumänische usw. Schulen, in denen Kinder nationaler Minderheiten während der gesamten Ausbildungszeit in ihrer jeweiligen Sprache unterrichtet wurden.
Jedoch wurden in den Jahren 2020 und 2021 in der Ukraine das Gesetz über Indigene Völker und das Gesetz über Allgemeinbildende Schulen verabschiedet. Und nach diesen Gesetzen hörte der Staat auf, ungarische, rumänische usw. Schulen nationaler Minderheiten zu finanzieren, weil ethnische Ungarn, Rumänen usw. als „Indigene Völker der Ukraine“ nach diesen Gesetzen nicht zählen. Denn die ukrainischen Behörden haben trotz der UN-Definition von Indigenen Völkern (s. die offiziellen Webseite der UNO) eine zusätzliche Bedingung für solche Völker eingeführt; s. unten ein Zitat aus dem Gesetz über Indigene Völker der Ukraine von der offiziellen Webseite des ukrainischen Parlaments.
Корінний народ України - автохтонна етнічна спільнота, яка .. не має власного державного утворення за межами України. (Ein Indigenes Volk der Ukraine ist eine autochthone nationale Gemeinschaft, die … kein eigenes Staatsgebilde außerhalb der Ukraine hat).
Ethnische
Ungarn sind nach diesem Gesetz also kein Indigenes Volk der Ukraine, obwohl sie spätestens
896 nach Transkarpatien in der heutigen Ukraine kamen.
Dagegen
sind Krimtataren, die erst im 13. Jahrhundert auf die Krim kamen, nach diesem
Gesetz ein Indigenes Volk, weil sie kein eigenes Staatsgebilde außerhalb der
Ukraine haben.
So ein System der
Einstufung nationaler Minderheiten ist ungerecht und diskriminierend. Zum
Beispiel, in der Schweiz hat jedes der drei größten Völker dieses Landes
(Deutsche, Franzosen und Italiener) sein jeweiliges Staatsgebilde außerhalb der
Schweiz, aber das beschränkt ihre Rechte nicht.
Nationale Minderheiten der Ukraine sind jedoch zurzeit in drei Gruppen eingestuft
- Indigene Völker der Ukraine haben mehr Rechte; Nicht-Indigene Völker, deren
Muttersprache eine der offiziellen Sprachen der EU ist, haben weniger Rechte
als Indigene Völker der Ukraine aber mehr Rechte als Nicht-Indigene Völker, deren
Muttersprache keine der offiziellen Sprachen der EU ist, d.h. mehr Rechte als z.
B. Russen; s. das Gesetz über Allgemeinbildende Schulen auf der offiziellen Webseite des ukrainischen
Parlaments.
Vor
Februar 2014 gab es in der Ukraine auch sogenannte Regionalsprachen, d.h.
Sprachen, die für mehr als 10% der Menschen in einer Region, Stadt, Gemeinde oder Siedlung Muttersprache waren. Diese Regionalsprachen durften in Behörden,
in Massenmedien, in privaten Unternehmen usw. auf dem Territorium der
jeweiligen Region, Stadt, Gemeinde oder Siedlung frei verwendet werden. Doch
im Jahr 2019 wurden die oben genannten Regionalsprachen in der
Ukraine abgeschafft.
Pressefreiheit in der Ukraine nach dem Euromaidan
Nach
dem Euromaidan greift die Polizei jedoch häufig nicht ein, wenn ukrainische
Nationalisten Oppositionsmedien angreifen.
Im
Sommer 2016 warf eine ukrainische Website dem ukrainischen Fernsehveranstalter „Inter“
Zusammenarbeit mit Separatisten vor. Bis November 2016 wurde das Gebäude,
in dem sich „Inter“ befindet, dreimal von „Aktivisten“ angegriffen und seine
Räume wurden in Brand gesteckt – glücklicherweise kam bei diesen
Brandanschlägen niemand ums Leben. Der materielle Schaden war jedoch groß.
Nach
einer dieser Brandstiftungen schrieb der Berater des Innenministeriums der
Ukraine, Anton Geraschtschenko, in Facebook, man solle nicht ausschließen, dass
Inter-Manager selbst die Brandstiftung ihrer Räume provoziert hatten; siehe
hier.
Bisher wurden keine Täter dieser Brandstiftungen gefunden. Noch mehr, bisher haben die ukrainischen Behörden keine Bestätigung veröffentlicht, dass „Inter“ tatsächlich mit Separatisten zusammengearbeitet hatte, d.h. es wurden keine Strafverfahren wegen dieser Vorwürfe eingeleitet.
Im Dezember 2017 bezeichnete Jewhenij Murajew, der Besitzer des ukrainischen Fernsehveranstalers NewsOne, den Euromaidan als einen Staatsstreich.
Obwohl
seine Worte kein Verstoß gegen ukrainische Gesetze waren, umzingelten Hunderte von „Aktivisten“ das Gebäude von
NewsOne und forderten von Murajew eine Entschuldigung.
Die
Polizei griff nicht ein und der ukrainische Innenminister Awakow sagte, dass
die Eigentümer von NewsOne „aufhören müssen, Leute zu provozieren“; s. hier.
Die
„Aktivisten“ blockierten alle Eingänge zum Gebäude von NewsOne mit
Sandsäcken und Stacheldraht. Diese Blockade dauerte sieben Tage und obwohl
es sich um einen klaren Verstoß gegen ukrainische Gesetze
handelte, wurde keiner dafür verhaftet oder anderswie bestraft.
Im
Jahr 2021 wurde Tätigkeit von NewsOne von den ukrainischen
Behörden eingestellt. Und im Jahr 2023 entzog der Ukrainische Rundfunkrat (nach
einem Beschluss des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine)
NewsOne die Lizenz, siehe die offizielle
Website dieses Rates. Das heißt, dieser Fernsehveranstalter
wurde endgültig geschlossen.
Deshalb kann ich zur Schlussfolgerung kommen, dass sich die Situation in der Ukraine im Bereich der Rechte nationaler Minderheiten und im Bereich der Pressefreiheit im Vergleich zur Situation vor dem Euromaidan wesentlich verschlechtert hat.
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